Kurztest: Mondraker Raze Carbon R 2022

Für Pfingsten 2022 bekam ich das neue Mondraker Raze Carbon R zum Testen in die Hände gedrückt. Eigentlich bin ich langjähriger Rocky Mountain Fahrer, aber da mein Ausrüster CHRIS sports auch den Mondraker Vertrieb für die Schweiz hat, darf ich da ein wenig über den Tellerrand hinausschauen.

Das Raze Carbon R ist ein Trail-Bike mit 150/130 mm Federweg und 29" Laufrädern. Es schliesst eine Lücke im Programm der Spanier, zwischen dem XC-Bike Podium und dem Enduro-Bike Foxy gab es lange Zeit nichts. Es war also nötig hier nachzuliefern, denn die Trail-Kategorie ist mittlerweile wahrscheinlich am interessantesten für viele Mountainbiker*innen. Diese Bikes sind schön leicht für lange Uphills und potent genug für anspruchsvolle Abfahrten.

Nachfolgend ein Kurztest, während drei Tagen war ich auf verschiedenen Trails und wechselnden Bedingungen unterwegs. Als Vergleichsreferenz dient mein aktuelles Rocky Mountain Instinct Carbon, welches in der gleichen Kategorie zu Hause ist.

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Optisch wunderschön! Das Mondraker Raze Carbon R 2022.


Die Ausstattung

Das Carbon R ist mit CHF 7'499.00 das "günstigste" Modell der Raze Palette. Darüber angesiedelt sind die teureren und hochwertiger ausgestatteten Raze Carbon RR und RR SL.

Der Rahmen besteht komplett aus Carbon, sogar die Dämpferwippe ist aus Carbon gefertigt. Was das Design betrifft, da kann sich Mondraker die Krone aufsetzen. Die durchgezogene Linienführung vom Steuerrohr bis zum Ausfallende sucht seinesgleichen. Alle Kabel und Leitungen gehen im Steuersatz in den Rahmen rein und bleiben komplett verborgen. Das Oberrohr ist wohl das dünnste, das auf dem Markt zu finden ist. Wunderschön!

mondraker_razer2022-3jpgDas superdünne Oberrohr geht fast nahtlos in die Sitzstreben über.


Die Geometrie basiert auf der bekannten Forward Geometry. Mondraker ist ja so etwas wie der Erfinder der modernen Mountainbike-Geometrie, heisst langes Oberrohr und kurzer Vorbau. In Grösse Medium beträgt der Reach 475 mm, da die Winkel aber moderat ausfallen und dank 435 mm kurzen Kettenstreben, liegt der Radstand bei nur 1217 mm. Diese Zahlen deuten schon auf dem Papier nach ganz viel Spass! Zum Vergleich, mein Rocky Mountain Instinct hat 20 mm weniger Reach, der Radstand ist aber nur 7 mm kürzer.

Der Dämpfer wird vom Zero Suspension System angelenkt. Das ist ein virtuelles Federungssystem, welches für einen effizienten Vortrieb und einen schluckfreudigen Hinterbau sorgen soll.

mondraker_razer2022-6jpgAlles Carbon! Das Zero Suspension System mit Fox Dämpfer.


Die montierten Komponenten stammen von den bekanntesten Marken und sind tausendfach bewährt. Die Federelemente bestehen aus Fox 36 Float GRIP EVOL Performance Gabel und Fox Float DPS EVOL Performance Dämpfer. SRAM liefert die Schaltung mit einem Mix aus GX und NX und die Bremsen sind G2 R mit 180 mm Bremsscheiben. Die Laufräder kommen von DT Swiss mit dem XM1700 Spline und bestückt sind sie mit Maxxis Dissector 29x2.4 und Aggressor 29x2.3 Reifen. Die Anbauteile stammen von der Eigenmarke Onoff und machen einen soliden Eindruck.

Das Gesamtgewicht liegt fahrfertig bei 13,5 kg in Grösse Medium.

Der Rahmen ist mit dem MIND Telemetriesystem ausgestattet, welches mit der myMondraker App verknüpft werden kann, um Informationen von der Arbeit der Federelemente und gefahrenen Tour zu erhalten. Das habe ich allerdings nicht installiert und getestet, dafür fehlte mir die Zeit. Und es tönt für mich eher nach Spielerei für Techniknerds. Die Auswertung der Federung gibt keine spezifischen Einstelltipps, man erfährt nur ob sie durchgeschlagen hat und wie man den SAG richtig einstellen sollte. Da bietet das ShockWiz von SRAM weitaus mehr Möglichkeiten, um die Federelemente klickgenau abstimmen zu können. Mehr Informationen zum MIND gibt es auf der Mondraker Website.

mondraker_razer2022-2jpgKein Schutzblech, sondern das MIND Telemetriesystem.


Auf dem Trail

Bevor es auf die Trails ging, habe ich ich mich zuerst mit dem Setup beschäftigt. Die Federung war schnell richtig eingestellt, beim Reifendruck wählte ich 1,5 bar vorne und 1,6 bar hinten. Der 800 mm Lenker ist viel zu breit für mich, aber leider durfte ich ihn nicht auf meine bevorzugten 750 mm kürzen. Ich habe einfach die Bremshebel so weit wie möglich reingeschoben, damit ich den Lenker weiter innen greifen musste. Ein bisschen stümperhaft, aber es hat einigermassen funktioniert.

In der Tiefgarage machte ich dann einige Tricks, um mit dem Bike vertraut zu werden. Bunny Hop, Wheelie, Manual, Stoppie und Fakie fahren gingen sehr leicht von der Hand. Das ist sicher den kurzen Kettenstreben zu verdanken, diese sorgen für ein agiles Handling und das Vorderrad kommt ohne viel Kraftaufwand ab Boden.

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Testgelände Tiefgarage. Der perfekte Ort, um sich an ein Bike zu gewöhnen.


Am nächsten Tag ging es auf meine Hometrails, welche ich wie meine Westentasche kenne. Mit meinem Rocky Mountain Instinct bin ich sie schon unzählige Male gefahren, ich wusste also, wie sich das Mondraker Raze anfühlen muss, damit es für mich stimmt.

Zuerst pedalierte ich den Hügel hoch und hier fiel gleich auf, wie ruhig das Fahrwerk arbeitet. Selbst mit offenem Dämpfer ist im Wiegetritt fast kein Wippen spürbar. Wenn das Lockout aktiviert wird ist vollständig Ruhe und der Vortrieb exzellent. Angenehm ist die Sitzposition, dank dem langen Oberrohr befindet sich der Körper perfekt im Rahmen drin und auch in steilen Anstiegen bleibt das Vorderrad stabil am Boden.

mondraker_razer2022-10jpgDas Gerät marschiert! Das Fahrwerk wippt kaum im Wiegetritt.


In der Abfahrt liess ich es dann fliegen. Von der ersten Sekunde an fühlte ich mich wohl und vertraut mit dem Bike. Wichtig ist, dass man ein Mondraker aktiv fährt und die zentrale Körperposition hält. Wer zu weit hinter dem Sattel hängt, kann das Potenzial der Forward Geometry nicht ausschöpfen.

Egal ob schnelle Kurven, Spitzkehren mit Hinterrad versetzen, Wurzelteppiche und Jumps, das Raze zeigt sich souverän. Es liegt wie ein Brett auf dem Boden, trotzdem ist es sehr agil und reagiert auf jede Körperbewegung.

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Das Raze fliegt souverän über die Trails.

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Das feinfühlige Fahrwerk lässt hohe Kurvenspeeds zu.


Am zweiten Tag führte ich einen Bikekurs in Burgdorf durch. Auch diese Trails kenne ich gut und es war darum klar, dass ich das Raze für den Kurs nehme. Da es den ganzen Tag immer wieder mal regnete, waren der Boden schmierig und die Wurzeln nass. Perfekte Bedingungen für einen weiteren Härtetest. Erneut gab sich das Raze keine Blösse, auch bei rutschigen Verhältnissen hält es die Spur und sorgt für Sicherheit. Der Powerman Hole Trail ist mit kleinen und grösseren Sprüngen gespickt. Hier war interessant zu sehen, dass sich der Hinterbau nach viel mehr Federweg anfühlt, als nur 130 mm. Ein paar Durchschläge gab es, dem kann aber mit einem grösseren Volumen-Spacer im Dämpfer Abhilfe geschafft werden. Allgemein ist das Fahrwerk ein bisschen zu linear abgestimmt, auch die Gabel könnte mehr Progression vertragen.

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Auch auf nassem Boden hält das Raze die Spur. (Foto: mtb-emmental.ch)

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Spitzkehren und Hinterrad versetzen? Kein Problem! (Foto: mtb-emmental.ch)


Am Pfingstmontag war ich mit Kollege Hansueli unterwegs, welcher mir eine Tour in den Fricktaler Hügeln zeigte, die ich nicht kannte. Neue Trails mit einem neuen Bike, ich war gespannt! Es waren einige steile und steinige Abfahrten drin, für welche man auch ein Enduro-Bike hätte brauchen können. Aber das Raze zeigte sich unbeeindruckt, dank der stabilen Front steht man sicher im Bike drin, ohne Überschlagsgefühle zu bekommen.

Zu Bemängeln habe ich nur die Bremskraft der SRAM G2 R Bremsen. Diese dürften für mich kräftiger sein, vor allem am Vorderrad wünschte ich mir jeweils mehr Biss bei starken Bremsmanövern.

mondraker_razer2022-15jpgSteil und steinig, auch da fühlt sich das Raze wohl. (Foto: spitznagel.ch)

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Der moderne Cowboy fährt mit dem Mondraker in den Sonnenuntergang... (Foto: spitznagel.ch)


Fazit

Ich muss zugeben, das Mondraker Raze Carbon hat mich begeistert. Im Vergleich zu meinem Rocky Mountain Instinct Carbon hängt es in nichts nach. Bergauf ist es noch vortriebsfreudiger, für mich nach wie vor ein wichtiges Argument. Der Hinterbau arbeitet exzellent und bietet trotz wenig Federweg viel Reserven. Optisch ist es eine Augenweide, das zeitlose Design wird sicher nicht langweilig werden. Die Komponenten funktionieren einwandfrei, für den hohen Preis dürften sie allerdings hochwertiger sein.

Da muss ich wohl eine schwierige Entscheidung treffen für 2023...


Informationen

Mondraker
CHRIS sports