Meine erste Woche verbrachte ich mit ihnen zusammen und sie zeigten mir vor allem die Geschichte, Religion und Kultur von diesem mir komplett fremden Land. Für einen Westeuropäer ist das alles nur schwer zu verstehen, wenn man einfach schnell mal für zwei Wochen Ferien hinreist. Aber die Erlebnisse hinterliessen einen tiefen Eindruck, noch vor Ort habe ich entschieden, dass ich Japan bald wieder besuchen werde.
Die zweite Woche war ich dann alleine unterwegs und da war auch der Radsport ein Thema. Immer wenn ich an einen unbekannten Ort reise, möchte ich auch etwas über die dortige Szene erfahren. Ich besuche Bikeshops, schaue mir Rennen an (oder fahre sogar selbst mit) und tausche mich mit Gleichgesinnten aus. Denn egal wo man ist, das Fahrrad verbindet die Menschen und man versteht sich, auch wenn man nicht die gleiche Sprache spricht!
Der Hauptsitz von Shimano befindet sich in Osaka. Ein bisschen südlicher liegt Sakai und dort gibt es seit April 2022 das Shimano Bicycle Museum, welches für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Auf der Website sind die Informationen darüber eher spärlich, ich war deshalb gespannt, was es dort alles zu entdecken gibt.
Der Standort Sakai wurden übrigens nicht zufällig gewählt, sondern hat, wie fast alles in Japan, einen geschichtsträchtigen Hintergrund. Ende des 19. Jahrhunderts begann man in Sakai Fahrräder und Komponenten herzustellen. Auch die Firma Shimano wurde 1921 dort gegründet. Zahlreiche weitere Produzenten folgten und mittlerweile ist der gesamte asiatische Raum zum wichtigsten Zulieferer weltweit geworden.
Das Museum ist ein grosser, unscheinbarer Bau, Mitten im Stadtzentrum. Die erste Überraschung: Es ist von aussen nicht angeschrieben. Den Namen Shimano Bicycle Museum liest man das erste Mal, wenn man schon im Museum drinsteht. Typische japanische Bescheidenheit.
Der Eintritt kostet lediglich 500 Yen (umgerechnet ca. CHF 3.50). Für dieses wenige Geld bekommt man extrem viel geboten. Auf drei Stockwerken kann man sich an Zweirädern und Zubehör sattsehen. Die Ausstellung ist sehr umfangreich und detailliert umgesetzt. Es wird bei der Stunde Null des Fahrrads begonnen und es geht bis in die aktuelle Zeit. Auf zahlreichen Infotafeln wird auf japanisch und englisch informiert, zudem gibt es viele Videoscreens und sogar einen Kinosaal.
Im Erdgeschoss ist die grosszügig gestaltete Empfangshalle und es werden einige Räder aus der Anfangszeit gezeigt.

In diesem unscheinbaren Bau findet man über 200 Jahre Fahrradgeschichte.

Der Haupteingang, nirgendwo liest man etwas von einem Bicycle Museum...

Willkommen, hier bin ich!

Herr Shimano meldet sich auch zu Wort.

1, 2, 4. Keine Ahnung, wo das 3. Stockwerk geblieben ist...

Fullsuspension schon vor über 100 Jahren!

Das Hochrad, der Klassiker schlechthin.

1936 bekam der Kronprinz von Japan dieses Fahrrad.

Sakai ist der Geburtsort der Fahrradindustrie in Japan.
Im 2. Stockwerk wird die gesamte Geschichte vom Zweirad aufgezeigt. Zu jeder Epoche wird das passende Rad und die Information dazu präsentiert. Zu jeder halben und vollen Stunde gibt es dazu eine interessante Präsentation im Panorama Theater. Der heimliche Favorit ist aber ein grosser Raum, in dem ein bisschen lieblos jede Menge Mountainbikes und Rennräder aufgehängt sind. An diesen Bikes sind einige Raritäten montiert, wie z.B. die Shimano Airlines Schaltung, das Shimano PD-M737 Klickpedal, die RockShox Judy DH Triple Crown Federgabel, eine AMP Parallelogram Gabel, IRC Kujo Downhillreifen, usw. Ich fühlte mich gleich wieder in die 90er Jahre zurückversetzt, einige dieser Teile habe ich damals selbst gefahren. Eine schöne Erinnerung an die Blütezeit des Mountainbikes!

































Im 4. Stockwerk gibt es sämtliche Shimano MTB und Road Top-Gruppen zu sehen. Von der ersten bis zur aktuellen Dura-Ace, Deore XT und XTR. Aber auch Schaltgruppen von Campagnolo und Suntour werden gezeigt. Man ist sich also nicht zu schade, um auch die Mitbewerber zu präsentieren. Schliesslich hat dieser ewige Wettstreit dazu geführt, dass die Qualität der Produkte immer besser wurde. Nur von SRAM sieht man nichts… ;-) Zudem gibt es einen grossen Archivraum, wo man die Shimano Tech-Dokus und ganz viele verschiedene Bücher zum Radsport durchblättern kann.















Das Shimano Bicycle Museum ist DIE Pilgerstätte für Fahrradfans! Wer in Japan unterwegs ist, der muss hier einen Zwischenstop einlegen. Es gibt auf der Welt wohl keinen zweiten Ort, wo die Geschichte über das Fahrrad und den Radsport so sorgfältig aufgearbeitet wurde. Wenn man irgendetwas noch nicht weiss, hier findet man die Antwort darauf. Schade ist eigentlich nur, dass man über die Entwicklung der Firma Shimano nur sehr wenig erfährt. Aber das ist wohl wieder diese japanische Bescheidenheit.
Vielen herzlichen Dank für dieses Stück Zeitgeschichte! Ich komme wieder!