Fahrbericht und Installation SRAM XX Eagle AXS Transmission 2023

Was haben die 1990er Jahre und das Jahr 2023 gemeinsam? Man fährt ein Mountainbike ohne austauschbares Schaltauge.

SRAM hatte am 21. März 2023 die neuen Eagle AXS Transmission Schaltgruppen vorgestellt. Herausstechendes Merkmal ist dabei, dass das Schaltwerk nicht an einem Schaltauge hängt wie es die letzten 40 Jahre üblich war, sondern direkt am Hinterbau eingeklemmt wird. Tragendes Teil ist dabei die Steckachse, auf welcher die ganze Last abgestützt wird. Das macht die Konstruktion extrem stabil und ermöglicht eine toleranzfreie Installation.

Ein Schaltauge ist die noch letzte grosse Schwachstelle an einem Mountainbike. Es ist nicht ein Problemlöser, sondern ein Problem. Zumindest bei mir hat das Schaltauge seinen Zweck nie erfüllt. Ich zerstörte trotz dieser "Sollbruchstelle" einige Schaltwerke und ich verbog unzählige Schaltaugen. Und jedes Mal funktionierte die Schaltung danach nicht mehr richtig, oder ich musste die Tour sogar frühzeitig beenden (deshalb sollte man immer ein passendes Ersatzschaltauge im Gepäck dabei haben). Es ist also höchste Zeit, dass SRAM diesem unnützen Teil nun ein für alle Mal ein Ende setzt. Jetzt ist das Mountainbike nahezu bei der absoluten Perfektion angelangt!

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Auf Nimmerwiedersehen Schaltauge! Ich werde dich nicht vermissen.


Das Eagle AXS Transmission Groupset

Nun zur Vorstellung der neuen SRAM Eagle AXS Transmission. Es sind Groupsets in drei verschiedenen Ausführungen erhältlich: XX SL (CHF 2649.00), XX (CHF 2449.00) und X0 (CHF 1899.00). Wer noch ein bisschen mehr Geld ausgeben möchte, kann die Kurbel mit dem AXS Powermeter wählen. Die Unterschiede der Gruppen liegen in den verwendeten Materialien, von der Technologie her sind alle gleich. Die XX und X0 Gruppen sind E-MTB tauglich, die Kurbeln sind für die jeweiligen Achsaufnahmen der Motorenhersteller erhältlich. Ich habe mich für die XX Eagle entschieden.

Bei diesen Preisen muss man zuerst einmal leer schlucken... Für ein paar Schaltkomponenten bezahlt man so viel, wie andere für ein Komplettbike ausgeben. Ich gönnte mir diesen Luxus, der Radsport ist meine grösste Leidenschaft, dafür lebe ich. Zudem werden die Preise in den kommenden Monaten sicher noch fallen. Und wer weiss, vielleicht folgt irgendwann eine günstigere GX Version.

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Das komplette SRAM XX Eagle AXS Transmission Groupset.


Sämtliche Komponenten wurden neu entwickelt und kommen in einem edlen schwarz/silbrigen Finish daher. Gleich geblieben sind 12 Gänge und wer schon AXS Akkus besitzt, kann diese weiterhin verwenden.

Der Eyecatcher ist natürlich das wuchtige Schaltwerk. Wenn man das Teil in der Hand hält weiss man schon, es ist wahrscheinlich unzerstörbar. Sollte doch mal etwas kaputt gehen, der Schaltkörper, der Käfig und die Abdeckungen auf der Seite lassen sich einzeln austauschen. Was man vergeblich sucht sind irgendwelche Einstellschrauben für die Endanschläge und die Kabelspannung. Das braucht es jetzt schlicht nicht mehr. Eine interessante Neuheit ist das untere Schaltröllchen, genannt "Magic Wheel" (nur bei XX SL und XX), welches mit einem Reiblager versehen ist. Falls mal ein Ast ins Schaltröllchen kommt dreht es trotzdem weiter und verhindert schlimmere Defekte.

sram_xx_eagle_axs_transmission_2023-2jpgDer Grössenvergleich: XX AXS Transmission vs. XX1 mechanisch.


Der Schalthebel heisst jetzt Pod Controller Ultimate und lässt sich mit der neuen Infinity Klemmung oder der altbekannten Matchmaker Klemme befestigen. Er kann rechts oder links am Lenker montiert werden und ist mit der AXS App individuell programmierbar. Der Pod Controller ist auch mit bisherigen AXS Schaltwerken kompatibel.

Die XX Kurbel ist aus Carbon und nur als Wide Version erhältlich. Die Kettenlinie beträgt nun 55 mm. Dementsprechend muss auch das Tretlager auf Wide umgerüstet werden. Es gibt sie in 165 mm, 170 mm (meine Wahl) und 175 mm Länge. Standardmässig wird sie mit einem 32er Kettenblatt geliefert. Das Kettenblatt wird von einem Bashguard geschützt, welcher sich abschrauben lässt. Er schlägt mit total 52 Gramm auf die Waage. Benötigt wird aber eigentlich nur eine Hälfte, je nach dem, welcher Fuss vorne auf dem Pedal steht. Ich habe mir dieses Mehrgewicht aber komplett gespart und fahre ohne Bashguard. An allen Kurbeln kann ein Quarq Powermeter montiert werden, die Kettenblatt Aufnahme hat jetzt die erforderlichen 8 Schrauben.

Die Kassette ist nur noch in der Abstufung 10-52 Zähne erhältlich. Diese wurde gegenüber den Vorgängern leicht angepasst, der Sprung vom zweitgrössten auf das grösste Ritzel ist jetzt kleiner geworden (10, 12, 14, 16, 18, 21, 24, 28, 32, 38, 44, 52). Dank neu gestalteter Steighilfen lässt sich jetzt unter Volllast schalten, dazu später mehr.

Die Kette ist nun auch im Flattop Design, wie man es schon von den Rennradgruppen kennt (MTB und Rennrad Ketten sind aber nicht untereinander kompatibel).

Die ganze Gruppe wiegt in meiner gefahrenen Version 1675 Gramm. 30 Gramm schwerer, als meine bisherige mechanische XX1 Gruppe (mit Truvativ Descendant Carbon Kurbel).

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Die Gewichte der einzelnen Komponenten, wie ich sie fahre. Total 1675 g.


Die AXS Transmission kommt in einer hübschen Verpackung, deshalb habe ich gleich noch ein Unboxing Video produziert! ;-)




Die Installation

Wichtige Information vorab: Für die Installation ist ein Bike mit einer UDH-Aufnahme und einer Steckachse mit 1.0 Gewindesteigung zwingend nötig. Ohne diese zwei Voraussetzungen lässt sich das Schaltwerk nicht montieren. Auf der SRAM Website gibt es eine (noch unvollständige) Auflistung aller Modelle, die dafür bereit sind.

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Grundvoraussetzung: UDH-Aufnahme und Steckachse mit 1.0 Gewinde.


Mischen lassen sich neue und alte SRAM Komponenten übrigens nicht. Nur der AXS Controller von früher funktioniert auch mit dem neuen Schaltwerk. Ich habe den Antrieb an mein neues Mondraker Raze Carbon geschraubt, welches mit der UDH-Aufnahme ausgerüstet ist.

Für die Installation lohnt es sich, auch für Männer (!), die Bedienungsanleitung sorgfältig durchzulesen und Schritt für Schritt zu befolgen. Dann ist die Gruppe innerhalb weniger Minuten montiert und einsatzbereit.

1. Pairing von Schaltwerk und Schalthebel. Dabei sollte man gleich noch ein Firmware Update durchführen.

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Pairing von Schaltwerk und Controller. Ein Firmware Update ist auch gleich nötig.


2. Kette ablängen, abhängig von Kettenstrebenlänge und Kettenblatt. Auch dafür gibt es auf der SRAM Website eine hilfreiche Auflistung.

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Kette richtig ablängen. In meinen Fall auf 116 Glieder.


3. Alle Komponenten montieren. Das Schaltwerk und die Steckachse zieht man vorläufig nur lose an.

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Die Komponenten hängt man zuerst lose ans Bike.


4. Die Kette muss auf dem siebten Gang bzw. auf der roten Markierung der Kassette liegen. Der Käfig vom Schaltwerk lässt sich nun an zwei Positionen arretieren. Die Mittlere hat eine A/B Markierung (A für Hardtails/High Pivot Bikes und B für die meisten Fullies), welche für die Installation gewählt werden muss. Ein paar Kurbelumdrehungen machen, um zu kontrollieren, ob die Kette sauber läuft.

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Die Kette auf das 7. Ritzel bzw. die rote Markierung legen.


5. Schaltwerk mit dem Finger nach hinten ziehen, damit die Kette gespannt ist. Jetzt das Schaltwerk mit 35 Nm und die Steckachse mit 10 Nm anschrauben.

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Kette spannen und dann Schaltwerk und Steckachse festschrauben.

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Wenn man alles richtig gemacht hat, stehen die beiden Striche übereinander.


Fertig! Es war noch nie so einfach, eine Schaltgruppe zu montieren. Danke SRAM!

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Innerhalb weniger Minuten ist der Antrieb montiert und fahrbereit.


Der Härtetest auf dem Trail

An meinem Mondraker Raze Carbon (Blogbeitrag) hatte ich zuerst eine mechanische SRAM XX1 Eagle montiert. So war für mich der Wechsel zur XX Eagle AXS Transmisson in allen Belangen eine neue Erfahrung. Von mechanisch zu elektronisch und von alt zu neu. Dementsprechend aufgeregt war ich, als ich die ersten Runden drehen konnte.

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Mein Mondraker Raze Carbon 2023 mit der XX AXS Transmission. Ein Traumbike!


Zwei Dinge sind mir gleich aufgefallen und haben mich ein wenig überrascht:

Die Schaltvorgänge sind viel langsamer als bei der mechanischen Gruppe und bei meiner Rival AXS vom Gravelbike. Das ist eigentlich nicht weiter tragisch, man geht einfach davon aus, dass die momentan teuerste Schaltgruppe blitzschnell schaltet. SRAM begründet es folgendermassen: Nur dank der tiefen Geschwindigkeit sind präzise Schaltvorgänge unter Volllast möglich und gleichzeitig ist der Verschleiss weniger hoch. Das ist sicher begrüssenswert, bei Preisen von CHF 659.00 für die Kassette und CHF 149.00 für die Kette ist man froh, wenn diese Teile möglichst lange halten.

Mit dem Pod Controller kann ich mich nicht richtig anfreunden. Die Haptik und Optik überzeugen mich nur bedingt. Es scheint, als hätte sich über 30 Jahre Schalten mit Shimano Rapidfire und SRAM Trigger so fest in mein Hirn eingebrannt, dass ich mich nicht an ein anderes Schalthebeldesign gewöhnen kann. Obwohl man den Controller verschieden montieren und drehen kann, erreicht mein Daumen nicht optimal den Knopf. Bei den Schaltvorgängen schaue ich regelmässig auf meinen Daumen, um zu kontrollieren, ob ich am richtigen Ort drücke. SRAM verspricht zwar intuitives und definiertes Schalten, ich komme mir aber vor wie ein Anfänger... Ich gebe mir jetzt noch ein wenig Eingewöhnungszeit und sonst kommt ein AXS Rocker Schalthebel an den Lenker.

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Egal wie ich den Pod Controller montiere, irgendwie passt es nicht für mich...


Nun aber zu den herausstechenden Merkmalen:

Die Schaltqualität ist überragend. Auch wenn die Geschwindigkeit langsam ist, die Präzision ist dafür umso beeindruckender. Jeder Gang rastet beinahe lautlos genau dort ein, wo er muss und dies ohne ein Kratzen oder Schleifen.

Das Schalten unter Volllast ist ein Genuss. Wer schon lange fährt muss sich zuerst daran gewöhnen, um beim Schaltvorgang nicht mehr kurz den Druck vom Pedal zu nehmen. Im Wiegetritt kann man die Gänge einfach reinhauen, das Treten bekommt eine ganz neue Effizienz.

Das Schaltwerk hält die Kette, dank der starken Overload Clutch, immer auf Zug. Damit wird das typische Kettenschlagen verhindert. Ich fahre ohne Kettenführung, die Kette ist mir noch nie runtergefallen. Diese hohe Kettenspannung sorgt für ein fast lautloses Bike, nur der Freilauf und die Reifen lärmen jetzt noch durch die Natur.

Mittlerweile fahre ich die Transmission seit fast drei Monaten. Dabei schonte ich sie nicht, die meisten Kilometer habe ich im anspruchsvollen Gelände zurückgelegt. Unter anderem war ich vier Tage in Ligurien, wo ich das Schaltwerk mehrere Male an die Felsen schlug. Abgesehen von ein paar Kratzern am Käfig zeigte sich die Schaltung unbeeindruckt von der Tortur.

Die Batterielaufzeit gibt SRAM mit ca. 25 Stunden an. Ich habe es bis jetzt noch nicht ausgereizt, meistens lade ich den Akku nach 3-4 Ausfahrten wieder auf. Was mir aber passiert ist, in Ligurien war der Akku bereits nach einem Tag leer. Der Grund dafür war, dass das Gerüttel auf dem Shuttlebus die Schaltung ständig aktiviert hatte. Die Elektronik arbeitete permanent und verbrauchte den ganzen Strom. Wer sein Bike transportiert, sollte die Batterie deshalb zur Schonung entfernen.

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In Ligurien musste der Käfig einiges einstecken. Aber das Ding hält!

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Das nasse Wetter im April und Mai 2023 war ein zusätzlicher Verschleisstest...

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Die Kette schwingt, aber sie schlägt nicht. Der Antrieb arbeitet fast lautlos.

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Nur fürs Bild. Das Magic Wheel würde weiterdrehen, wenn sich ein Ast darin verfängt.


Wie leise der Antrieb ist, kann man in diesem Video sehen und hören (bzw. man hört eben nichts). Nur der Freilauf und die Reifen lärmen durch den Wald...




Nachtrag 12.07.2023:

Es ist soweit, ich habe mich vom Pod Controller verabschiedet. Seit zwei Wochen fahre ich einen AXS Rocker Schalthebel und nun fühlt sich das Schalten wieder so vertraut an, wie in den letzten 30 Jahren.

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Ich fahre meine Transmission nun mit einem AXS Rocker Schalthebel.


Und ich bin anscheinend nicht der Einzige, der den Pod Controller nicht so toll findet. Kürzlich war auf Pinkbike ein Foto vom Bike von Nino Schurter zu sehen. Eigentlich ging es darum, dass an seiner SID Gabel ein Flight Attendant montiert ist, was so nicht offiziell erhältlich ist. Viel interessanter ist aber, dass Nino den alten AXS Schalthebel fährt! Da muss SRAM wohl nochmals über die Bücher...

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Kein Pod Controller am Bike von Nino Schurter! (Foto: pinkbike.com)


Fazit

SRAM setzt mit der Eagle AXS Transmission einen weiteren Meilenstein. Das ist Schalten neu gedacht, optisch und auch technologisch. Wie wohl Konkurrent Shimano darauf kontert?

Die Schaltqualität ist hervorragend bei allen Bedingungen. Fairerweise muss aber gesagt werden, dass die bisherige AXS und eine gut eingestellte mechanische Schaltung ebenfalls auf ähnlichem Niveau funktionieren. Die Vorteile der Transmission sind der Wegfall des defektanfälligen Schaltauges, das Schalten unter Volllast und die hohe Kettenspannung.

Der Pod Controller ist Geschmackssache. Er verrichtet die Arbeit tadellos, aber ich kann mich nicht wirklich mit der Bedienung anfreunden.

Die Installation der Schaltgruppe ist ein Kinderspiel und wird Bikemechanikern die Arbeit am Antrieb zukünftig erleichtern.

Die Preise sind happig, aber ich sehe das als Langzeitinvestition. Schon früher habe ich meine SRAM Schaltungen von einem Bike zum nächsten übernommen und teils über 5 Jahre gefahren.

Und trauert nicht dem austauschbaren Schaltauge nach. Die Lösung von SRAM war schon längst überfällig. Denn wo nichts brechen kann, bricht auch nichts!

Informationen:

SRAM Transmission