Mondraker Raze Carbon R mit RockShox Ultimate und SRAM XX 2023

Pünktlich zu Weihnachten hatte ich mein Mondraker Raze Carbon R 2023 erhalten. Ich baute es bis spät in die Nacht zusammen und ging am nächsten Tag in die Toscana. Die Jungfernfahrt fand am schönsten Ort der Welt statt, es konnte nicht besser sein!

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Freude herrscht! Die Jungfernfahrt an Weihnachten 2022 in der Toscana.


Das neue Trailbike vom spanischen Hersteller durfte ich bereits über Pfingsten 2022 einige Tage fahren und ich war von der ersten Sekunde weg begeistert. Obwohl das damalige Modell nicht wirklich auf mich eingestellt war, fühlte ich, dass das genau die Art von Bike ist, die perfekt zu meinem Einsatzzweck und Fahrstil passt. Darum war schnell eine Entscheidung gefällt, nach 9 Jahren mit Rocky Mountain wechselte ich wieder mal die Marke.

Wer wissen will, wie sich das Raze Carbon R 2022 in der Originalkonfiguration auf dem Trail schlägt, findet die Antwort in diesem Kurztest. Ich möchte in diesem Beitrag deshalb mehr auf die von mir verbauten Komponenten eingehen und einige Punkte herausheben, welche viele aktuelle Mountainbikes betreffen.

Beginnen wir mit einem Video aus der Toscana, wo ich dem Raze die ersten Trails zeigte und es mit einigen Tricks vertraut machte.





Raze Carbon R 2023 custom build

Wie bei mir üblich, baute ich das Bike mit Komponenten auf, mit denen ich die besten Erfahrungen machte und welche ich von meinen Ausrüstungspartnern zum Teil gratis erhalte. Ich entschied mich für das Modell Raze Carbon R, welches für CHF 7'599.00 über die Ladentheke geht. Darüber angesiedelt sind die besser ausgestatteten Carbon RR und Carbon RR SL. Seit diesem Jahr gibt es das Raze auch mit Aluminiumrahmen zu einem attraktiven Preis.

Der Vollcarbonrahmen mit 130 mm Federweg hat eine silber/orange Lackierung, welche zeitlos wirkt und gleichzeitig auffällt. Die Rahmenform ist spektakulär, das hauchdünne Oberrohr geht fast nahtlos in den Hinterbau über. Für mich die momentan schönste Linienführung, die man an einem Mountainbike finden kann.

Als langjähriger RockShox Fan war für mich klar, dass ich auch bei diesem Bike die Fox Teile entferne. Und da RockShox ihre Federelemente für das Modelljahr 2023 komplett neu entwickelte, machte die Sache noch interessanter. Ich spendierte dem Raze eine Lyrik Ultimate Gabel mit 150 mm Federweg und ein Super Deluxe Ultimate Dämpfer.

Die weiteren verbauten Komponenten sind teils neu und teils schon uralt: Mechanische SRAM XX1 Schaltgruppe (bereits in der Saison 2022 gefahren), Truvativ Descendant Carbon Kurbel (5-jährig), SRAM Code RSC Bremsen mit HS2 Scheiben, Race Face Turbine R Alu Cockpit und Turbine R Alu Laufräder (3-jährig), Pirelli Scorpion Enduro Reifen, Selle Italia Flite Carbon Sattel, Look X-Track Carbon Pedalen, King Cage Flaschenhalter (17-jährig!).

Meine Raze Carbon wiegt fahrfertig 13,3 kg. Kein schlechter Wert für einen Mini-Downhiller (oder heisst das jetzt Down-Country?) mit einer solch soliden Ausstattung. Gewichtsfanatiker würden das Bike locker auf 12,5 kg runterbringen.

mondraker_razecarbonr2023-8jpgMein neues Spielzeug ist ready!

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Ein neues Bike über die Toscana Trails zu jagen ist immer wieder ein Erlebnis!


RockShox 2023 Federelemente

Lyrik Ultimate RC2

Die RockShox Lyrik wurde von Grund auf neu entwickelt. Geblieben ist einzig, dass sie weiterhin 35 mm Standrohre besitzt. Die wichtigsten Neuerungen sind die Charger 3 Dämpfung, die DebonAir+ Federung und die ButterCup Technologie.

Die Charger 3 Dämpfung wurde so konstruiert, dass die High Speed Compression (HSC) und Low Speed Compression (LSC) nun völlig unabhängig voneinander arbeiten. Gewöhnungsbedürftig ist der neue Einstellbereich von HSC (5 Klicks) und LSC (15 Klicks). Die Drehknöpfe haben jetzt viele Strichmarkierungen, der längste Strich ist die neutrale Mittelposition. Von dort aus dreht man in Richtung + oder - für mehr oder weniger Kompression. Dabei muss man verstehen, dass wenn man in Richtung + dreht, die Einstellung ins - geht und umgekehrt. Entscheidend ist, wo das + oder - beim Hauptstrich steht. Tönt ein bisschen verwirrend, ist aber eigentlich logisch, wenn man sich den Drehknopf genau anschaut. Am besten merkt man die Unterschiede, wenn man mal die HSC und LSC von der einen Seite auf die ganz andere Seite schraubt. Der Rebound bietet 18 Klicks, um die Ausfedergeschwindigkeit möglichst fein einzustellen.

Die DebonAir+ Federung wurde ebenfalls überarbeitet. Unter anderem wurde die Luftkammer vergrössert und die Federungskurve angepasst. Das sorgt dafür, dass die Gabel feinfühliger anspricht, höher im Federweg steht und mehr Progression bietet. Gemäss einigen anderen Testberichten braucht es nun keine Volumen Spacer (Tokens) mehr. Ich experimentierte viel mit Luftdruck, HSC und LSC und habe mittlerweile ein Token eingesetzt. Ich mag ein progressives und straffes Setup, da ich viel auf den Trails herumhüpfe und gerne hohe Bunny Hops springe.

Ein Novum sind die ButterCups, das sind kleine Gummipucks zuunterst in den beiden Gabelenden. Diese filtern gemäss Sensormessungen bis zu 20% der hochfrequentierten Vibrationen heraus, was für weniger Ermüdung der Hände sorgt. Ehrlich gesagt merke ich nicht wirklich viel davon. Aber vielleicht habe ich mich auch bereits nach zwei Minuten daran gewöhnt und dabei vergessen, wie sich meine Vorgänger Lyrik und Pike anfühlten. Eigentlich ein gutes Zeichen, wenn eine Technik so unauffällig arbeitet.

Fazit: Die Lyrik überzeugt auf der ganzen Linie. Das Vorderrad liegt dank dem sensiblen Ansprechverhalten satt am Boden. Die Progression sorgt dafür, dass die Gabel stabil im Federweg steht und bei heftigen Schlägen nicht durchsackt. Erwähnenswert ist noch, dass die Lyrik völlig lautlos arbeitet. Die Ingenieure haben das typische "Geschmatze und Gezische" beim Ein- und Ausfedern komplett eliminiert. Die vorhandenen Einstellmöglichkeiten sind so zahlreich, dass wahrscheinlich viele Fahrer*innen damit überfordert sind. Eine gute Starthilfe bietet deshalb die Trailhead App von RockShox, welche nach Eingabe vom Fahrergewicht die wichtigsten Einstellungen empfiehlt.

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Die vielen Striche für die LSC und HSC sorgen ein bisschen für Verwirrung...

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Bäääääm! Flat Landings helfen, um das Fahrwerk korrekt einzustellen.


Super Deluxe Ultimate RC2T

Der Super Deluxe Dämpfer ist ebenfalls eine Neuentwicklung. Von den Technologien her ist er beinahe identisch mit der Gabel. High und Low Speed Compression mit der Strichskala (je 5 Klicks), Rebound mit 15 Klicks und Treshold Hebel für ein strafferes Ansprechverhalten. Auch hier kann mit Tokens die Progression verändert werden. Die Luftkammer ist in linear (Standard) oder progressiv erhältlich.

Bei der Abstimmung des Dämpfers musste ich wortwörtlich bei Null beginnen. Normalerweise lässt der Rahmenhersteller den Dämpfer direkt beim Produzenten konfigurieren, damit er perfekt auf die jeweilige Kinematik passt. Wenn man ein anderes Fabrikat montiert kann es passieren, dass der Hinterbau überhaupt nicht mehr harmonisch arbeitet. Ich hatte aber Glück, der Super Deluxe hat ein Standardsetup, welches von Beginn weg gut funktioniert hat.

Nach einigen Testfahrten und Sprüngen mit Flachlandung schraubte ich noch ein wenig an den Einstellungen rum. Der Dämpfer kann im Raze mit erstaunlich wenig Luft (bei mir 129 psi mit 68 kg Körpergewicht) gefahren werden, was für ein sensibles Ansprechverhalten sorgt. Bei so wenig Federweg darf es aber ruhig ein bisschen progressiv sein, deshalb verbaute ich einen zusätzlichen Token und gab ein Klick mehr bei der HSC. Die Low Speed Compression habe ich hingegen auf die geringste Position gestellt. Hier merkt man den Unterschied zwischen + und - besonders gut, wenn man im Sattel sitzend über Hindernisse fährt. Mit viel LSC beginnt das Hinterrad zu hüpfen und gleichzeitig verliert man den Kontakt zum Sattel. Mit wenig LSC saugt sich das Rad am Boden fest und man kann weiter treten, ohne dass Unruhe ins Fahrwerk kommt.

Fazit: Der Super Deluxe macht richtig Freude. Jeder einzelne Klick an den Drehknöpfen ist spürbar und so kann man den Dämpfer perfekt auf seine Bedürfnisse einstellen. Ich weiss nicht genau, ob es am Hinterbau oder am Dämpfer liegt, aber auf jeden Fall fühlt es sich an, als hätte das Raze mehr als 130 mm Federweg. Das Fahrwerk wippt nur leicht beim Treten, kleine Unebenheiten werden sensibel gefiltert und bei Jumps sorgt die progressive Abstimmung für sichere Landungen.

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Der Super Deluxe Ultimate harmoniert perfekt mit dem Hinterbau.

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Die richtige LSC Einstellung sorgt für ein ruhiges Fahrwerk beim Treten über Hindernisse.


SRAM Code RSC Bremsen

SRAM Bremsen haben nicht den besten Ruf in der Szene. Eigentlich sind sie voll konkurrenzfähig, aber je nach Modell gibt es bei der Qualität starke Schwankungen. Ich hatte früher auch Kunden in meinen Kursen und Touren dabei, deren SRAM Bremsen auf einmal versagten. Ärgerlich, wenn man deswegen den Biketag vorzeitig abbrechen muss.

Während ich schon viele Jahre mit SRAM Schaltung fahre, hatte ich bei den Bremsen die letzten 20 Jahre auf Shimano gesetzt. Die Bremsen der Japaner gehören zwar nicht zu den stärksten, aber sicher zu den zuverlässigsten und wartungsärmsten Stoppern. Aber jetzt wollte ich endlich mal ein "Shimano-freies" Bike aufbauen.

Original ist am Raze Carbon R die SRAM G2 R verbaut. Diese ist leider sehr zahm und konnte mich bei der Testfahrt im letzten Frühling nicht überzeugen. Ich verbaute darum die Code RSC, die stärkste Bremse im SRAM Sortiment. (Da muss man sich fragen, warum es SRAM nicht schafft, gleich starke 4-Kolben Bremsen zu entwickeln....) Die Montage geht schnell, vor allem die Inserts und Oliven mit Gewinde für die Bremsleitung sind sehr praktisch. Das Entlüften braucht ein wenig Übung, da man mit zwei Spritzen gleichzeitig arbeiten muss, ist aber keine Hexerei. An der Vorderbremse habe ich organische Beläge für eine bessere Dosierbarkeit und an der Hinterbremse gesinterte Beläge für mehr Haltbarkeit eingesetzt. Bei den Bremsscheiben habe ich die neue HS2 mit 200 mm und 180 mm Durchmesser montiert.

Nach dem Einbremsen auf der Strasse, stellte ich die Hebel auf meine Bedürfnisse ein. Dabei zeigte sich das "Contact Point Adjustment" äusserst wirkungsvoll. Mit dem Drehrad reguliert man den Druckpunkt, ob die Bremse direkt oder mit leichter Verzögerung richtig zupackt. Shimano bietet mit ihrem "Servo Wave" eine ähnliche Technologie, nur spürt man dort nichts, wenn man an der Schraube dreht. Am Vorderrad mag ich es, wenn die Bremse sofort die ganze Kraft entfaltet und habe deswegen die direkteste Einstellung gewählt. Am Hinterrad habe ich den Punkt leicht zurückgestellt, damit ich die Bremse bei Wheelies und Manuals kontrolliert schleifen lassen kann.

Fazit: Wenn es um die Bewertung von Bremskomponenten geht bin ich nicht die geeignetste Referenz. Mit meinen leichten 68 kg Körpergewicht funktioniert bei mir fast alles (abgesehen von der schwachen G2, die selbst mich nicht zum Stillstand bringt). Leute, die schwerer sind als ich oder ein E-Mountainbike fahren werden vielleicht eine andere Meinung haben. Dennoch, nach 3 Monaten im Einsatz bin ich sehr zufrieden und positiv überrascht von der Code RSC. Wenn die Bremse ihre Betriebstemperatur erreicht, dann ist die Power echt beeindruckend. Dank dem bequemen Hebel lässt sie sich leicht und gut dosieren. Mal schauen, wie sich die Code im Langzeittest schlägt.

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Der Code RSC Bremshebel lässt sich gut auf die persönlichen Bedürfnisse einstellen.

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Die SRAM HS2 Bremsscheibe hat viel Material für mehr Kühlung und Power.

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Für Tricks brauche ich eine gut dosierbare Bremse. Die Code RSC erfüllt!


Reichen 150/130 mm Federweg auf dem Trail?

Der Boom von Enduro Bikes hat dafür gesorgt, dass Mountainbikes in letzter Zeit immer mehr Federweg erhalten. Selbst Cross-Country Rennfeilen haben mittlerweile 120 mm. Gut so, allerdings ist Mehr nicht immer nötig. Ich behaupte, dass ein Federweg um 150 mm für 80% aller Mountainbiker*innen genügt. Ich komme vom Downhill-Sport und war jahrelang mit 160-200 mm Bikes unterwegs. Rückblickend kann ich sagen, dass ich lediglich bei Renneinsätzen, Bikeparkrunden und hochalpinen Trails den ganzen Federweg gebraucht habe.

Heutzutage bin ich die meiste Zeit im hügeligen Mittelland und in der Toscana unterwegs. Dank 29" Laufrädern und guter Fahrtechnik komme ich überall rauf und runter. Mehr Federweg brauche ich nicht, ich schätze das direkte Fahrverhalten und dass es beim Treten richtig vorwärts geht. Zudem ist ein bisschen weniger Federweg ein automatischer Geschwindigkeitsbegrenzer. Auch ich werde älter und vernünftiger und muss mich nicht mehr ständig am Limit bewegen. Sobald es mir richtig in die Kiste scheppert, weiss ich, dass ich ein wenig Gas rausnehmen sollte. Hin und wieder schlägt die Federung hinten durch, da teilt mir das Raze jeweils mit, dass es halt doch kein Enduro Bike ist. Aber damit kann ich gut leben.

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Grosse Steine und wenig Federweg. Kein Problem!


Zwischenfazit

Nach fast 3 Monaten mit dem Raze kann ich sagen: Das ist das beste Mountainbike, das ich je hatte! Bisher führte diese Liste das Rocky Mountain Thunderbolt an (davon hatte ich 4 verschiedene Modelle, das sagt wohl alles). Mit dem Raze habe ich mir mein Traumbike aufgebaut, mittlerweile ist auch das Setup perfekt und ich fühle mich eins mit dem Bike. Es ist so ein richtiges Spassgerät, das sich spielerisch leicht bewegen lässt, aber im Grenzbereich doch Reserven und Sicherheit bietet. Ich freue mich schon auf den Sommer, um mit dem Raze die hochalpinen Trails zur rocken!

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Das Raze gibt mir die nötige Sicherheit im Grenzbereich. 


SRAM XX Eagle AXS Transmission

Nachtrag 21.03.2023: Dass ich zuerst meine alte mechanische SRAM XX1 Schaltgruppe ans Bike schraubte hatte seine Gründe. Wer letztes Jahr die MTB-WM in Les Gets mitverfolgt hat, wird sicher auch die Fotos von einem neuen SRAM Schaltwerk bei den Teamfahrern gesehen haben. Es sah schon recht serienreif aus, daher konnte man davon ausgehen, dass da etwas Neues auf den Markt kommt.

Am 21.03.2023 war es dann soweit, SRAM präsentierte die neue Eagle AXS Transmission. Ich konnte den Antrieb vorbestellen und montierte und fuhr ihn schon einige Tage vorher. Das Schaltwerk verabschiedet sich vom Schaltauge, es wird nun direkt mit dem Rahmen verschraubt und stützt sich auf der Steckachse ab. Eine bombenfeste und toleranzfreie Verbindung. Deshalb gibt es auch keine Endanschläge mehr, die man einstellen muss. Dranschrauben, Elektronik pairen und los gehts!

Ein ausführlicher Fahrbericht folgt in Kürze.

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Alles neu macht der März! Das SRAM XX Eagle AXS Transmission Groupset.

sram_xx_eagle_axs_transmission_2023-2jpgDie ersten Ausfahrten waren vielversprechend. Schalten auf einem neuen Level!


Innenverlegte Kabel

Innenverlegte Bremsleitungen und Schaltkabel sind nun auch beim Mountainbike angekommen. Am Rennrad sieht man die Integration schon länger, dort waren vor allem die aerodynamischen Vorteile für die Veränderung verantwortlich. Zudem sieht es optisch hübsch aus, wenn der "Wäscheleine-Look" nicht mehr vorhanden ist.

Aber was schön aussieht, ist nicht immer praktisch. Sobald man an innenverlegten Kabeln arbeiten muss, kann es richtig nervenaufreibend werden. Auch ich musste diese Erfahrung bei meinem Raze machen. Da ich die Bremse wechselte, passte der Anschluss der Bremsleitung nicht mehr und ich musste die Leitung aus- und einfädeln. Auch die Kabel für die Schaltung und die Sattelstütze musste ich kürzen, da ich einen schmaleren Lenker montierte.

Was erwähnt werden muss, es gibt bei den Rahmenherstellern ziemlich grosse Unterschiede, wie die Sache gelöst wird. Mein letztes Rocky Mountain Instinct hatte auch innenverlegte Kabel, diese verschwinden seitlich am Unterrohr und sind im Innern durch Kanäle geführt. Das ist die pflegeleichte und vorbildliche Lösung. Am Mondraker Raze hingegen gehen sie schon beim Steuersatz in den Rahmen rein und liegen lose im Unterrohr drin. Das ist der Fluch.

Es ist mir fast ein bisschen peinlich zu erwähnen, dass ich über 2 Stunden an der Verkabelung rumbastelte... Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich das zum ersten Mal machte und mir schlicht die Erfahrung fehlte. Obwohl ich vorbildlich mit einem Liner arbeitete, konnte ich die Kabel nicht problemlos durch den Rahmen ziehen. Schuld daran sind gummierte Schrumpfschläuche um die Kabel, welche ein Klappern verhindern sollen. Leider bleiben die dicken Kabel beim Rausziehen überall hängen, sodass man sie nur zentimeterweise bewegen kann. Eine weitere Herausforderung ist, die Kabel durch die Öffnung vom Steuersatz zu führen. Hierfür bräuchte man eigentlich eine dritte Hand. Man muss den Gabelschaft an den Kabeln vorbei durch das Steuerrohr schieben und gleichzeitig die Steuersatzabdeckung halten und den Vorbau aufstecken. Ein unglaubliches Gefummel...

Bikemechaniker können sicher bereits viele solche Geschichten erzählen. Der Leidtragende dabei ist aber der Kunde, der diesen Aufwand bezahlen muss. Ein Schaltkabelwechsel ist nun keine Routinearbeit mehr, sondern eine zeitaufwändige und komplizierte Herausforderung. Wenn der Mechaniker ehrlich abrechnet, kostet die Sache nun doppelt oder dreifach so viel wie früher.

Es bleibt zu hoffen, dass die Hersteller zukünftig servicefreundliche und nervenschonende Lösungen anbieten. Denn innenverlegte Kabel werden bleiben, dafür spricht die schöne Optik und die Möglichkeit, Rahmen ohne Kabelöffnungen zu konstruieren. Aber vielleicht löst sich das Problem auch ganz von selbst dank elektronischen Schaltungen und Sattelstützen, die keine Kabel mehr benötigen.

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Die Kabel verschwinden im Steuersatz, was für eine aufgeräumte Optik sorgt.

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Der Albtraum eines jeden Bikemechanikers...


Die hohen Preise für Bikes und Komponenten

Zum Schluss noch ein Dauerbrenner-Thema: Die hohen Preise für Bikes und Komponenten. Die Welt ist in den letzten drei Jahren noch kaputter geworden, als sie es schon war. All diese Pandemien, Kriege, Krisen und Katastrophen sorgen dafür, dass das Leben immer teurer wird. Davon ist auch der Radsport nicht ausgenommen, Fahrräder und Zubehör erlebten einen Aufschlag von bis zu 30%. Das war und ist heftig und auch ich mache mir Gedanken, wo das alles noch hinführt. Als Vielfahrer habe ich vor allem beim Verbrauchsmaterial einen grossen Verschleiss, noch nie musste ich so viel Geld für Ketten, Bremsbeläge und Reifen hinblättern... Aber eines vorweg, die Situation entspannt sich langsam, die Preise werden wieder runtergehen.

Der Aufschrei ist jeweils gross, wenn ein Produzent eine Neuheit präsentiert. In den Kommentarspalten und Foren wird dann nicht über das vorgestellte Bike oder Teil diskutiert, sondern nur über die (zu) hohen Preise. Dabei lassen sich aber viele Leser*innen zu fest vom erwähnten Preisschild blenden. In der Werbung wird immer ein Topmodell vorgestellt und nicht die Einstiegsklasse. Denn geben wir es zu, teure Bikes sehen einfach besser aus. Es ist wie in der Autoindustrie, dort wird auch die Karre mit den schönen Felgen, mit Spoiler und sämtlichen Ausstattungsextras in den Werbespots gezeigt. Das heisst aber nicht, dass es nur dieses Modell zu kaufen gibt. Darunter sind jeweils zig günstigere Varianten erhältlich, welche ihren Zweck auch voll erfüllen. Also nicht immer gleich Rumschreien, sondern zuerst schauen, was es noch für passende Alternativen gibt.

Ich erwähnte eingangs, dass ich mich für das günstigste Raze der Carbonpalette entschieden habe, welches in der Schweiz CHF 7'599.00 kostet. 7'599.00 soll günstig sein?! Im Fall von Mondraker und einigen anderen Marken im Hochpreissegment, kauft man sich hier auch ein Stück Exklusivität. Ein Bike, das man nicht an jeder Ecke sieht und nach dem sich die Kenner auch mal umdrehen und einen ins Gespräch verwickeln. Nochmals Beispiel Auto, nicht alle wollen einen Volkswagen fahren, sondern es gibt auch die, die sich bewusst einen Ferrari oder Porsche zulegen. Es hat immer noch genügend Leute, welche die finanziellen Mittel dazu haben und sich so etwas gönnen können. Und die Bikeindustrie wäre ja doof, wenn sie diese Käuferschicht nicht bedienen würde. Denn je teurer das Bike, desto mehr hat auch der Mechaniker davon. Nicht nur der Anschaffungspreis ist hoch, sondern später auch die Wartungskosten.

Bei Mondraker möchte ich noch einen Punkt herausheben, den man auf den ersten Blick nicht sieht, der sich aber beim Service im Portemonnaie bemerkbar macht. Die Montagequalität ist erstklassig, an jeder Schraubverbindung und jedem Drehpunkt ist Fett oder Loctite angebracht und es sind hochwertige Lager verbaut. Das ist nicht selbstverständlich, ich besass schon einige Fahrräder, die wurden vom Werk komplett "trocken" zusammengebaut und hatten billige Lager drin. Teile, die nicht geschmiert oder von hoher Qualität sind, gehen einfach schneller kaputt und müssen dann für viel Geld ersetzt werden.

Und jetzt die gute Nachricht, die Preise gehen wieder runter! Dank günstigeren Logistikkosten und Überbestand, haben einige Hersteller schon im letzten Jahr ihre Preise gesenkt. Kürzlich sind auch grosse Marken wie Specialized, Santa Cruz und SRAM nachgezogen. Dieser Effekt wird sich auf die gesamte Industrie ausbreiten. Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wohl alle an der Preisschraube drehen. Deshalb hat Shimano bereits bekannt gegeben, dass sie für das Jahr 2023 mit einer Umsatzeinbusse von bis zu 20% rechnen.

Die Goldgräberstimmung der letzten drei Jahre ist vorbei, der Markt wird sich nun auf einem hohen Niveau einpendeln. Radfahren wird attraktiv bleiben und hoffentlich wieder ein bisschen kostengünstiger werden. Für Konsumenten kann es sich lohnen nach einem passenden Vorjahresmodell zu suchen. Viele Bikeshops haben zu grosszügig eingekauft und müssen dringend ihre Lager leeren. Das eine oder andere Schnäppchen wird man jetzt sicher finden.

mondraker_razecarbonr2023-17jpgDunkle Wolken am Himmel. Noch nie waren Bikes und Parts so teuer wie 2022...