Gravel Ride Strade Bianche Toscana

Bei den Wörtern "Strade Bianche" leuchten die Augen von jedem Radsportfan. Ein Mythos sind die weissen Strassen in der Südtoscana, zwischen den Regionen Chianti und Siena. Hier wurde das Gravelfahren sozusagen erfunden und zwar schon vor über hundert Jahren. Bis heute finden regelmässig verschiedene Rennen auf den legendären Schotterwegen statt, seit einigen Jahren gehört die offizielle Austragung der Strade Bianche zur UCI World Tour.

Ich war im August 2021 für zwei Wochen in der Toscana und nebst Mountainbike und Rennrad, hatte ich erstmals auch mein Gravelbike mit im Gepäck. Der Hintergedanke war klar, ich wollte selbst die Strade Bianche erkunden. Die Idee dazu kam mir ein Jahr zuvor, dort war ich ebenfalls in der Toscana und per Zufall war genau dann das World Tour Rennen ("dank" Corona wurde das Rennen vom März auf den August verschoben). Das wollte ich mir nicht entgehen lassen und ich fuhr als Zuschauer hin, um die Profis anzufeuern.

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Im August 2020 habe ich den World Tour Profis zugejubelt.

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Im August 2021 war ich wieder hier, dieses Mal mit meinem Gravelbike.

Nun war es also soweit, ich packte mein Rocky Mountain Solo ins Auto und reiste nach Buonconvento, südlich von Siena. Meine geplante Tour war nur ca. 50 Kilometer lang und führte über ca. 700 Höhenmeter. Ich wählte bewusst eine kürzere Strecke, da ich die Video- und Fotokamera dabei hatte, um alles bildlich festzuhalten. Das brauchte seine Zeit, schlussendlich war ich fast 5 Stunden unterwegs.

Ich erwischte einen wunderschönen Tag und die Temperatur stieg auf angenehme 34 Grad. Ich verliess Buonconvento, zuerst gab es einen kurzen Strassenabschnitt und schon bald bog ich links ab auf die Schotterstrasse. Wow, schon die ersten Meter begeisterten mich! Der Untergrund ist tatsächlich fast weiss, der Belag ist ganz fein und die Breite reicht locker, dass sich zwei Autos kreuzen können. Wobei die Autos, die mir auf der ganzen Tour begegneten, sich an einer Hand abzählen liessen. Die erste Strasse brachte mich gleich ein wenig in die Höhe und ich hatte einen tollen Rundumblick auf diese malerische Landschaft.

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Feinster weisser Schotter unter den Rädern.

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Zwischendurch ein Halt, einfach um die Landschaft zu geniessen.

Ich pedalte locker vor mich hin und hatte immer ein riesiges Grinsen im Gesicht. Ich betreibe seit über 30 Jahren Radsport und hatte schon viele unvergessliche Momente erlebt. Aber was da gerade abging, das war etwas vom Besten! Die Toscana ist schon lange meine grosse Liebe und nun durfte ich mit meinem Gravelbike hier sein. Ein Traum, der in Erfüllung ging!

Kurz vor dem Dorf Torrenieri bin ich auf die offizielle Strecke der L'Eroica gelangt (es gibt eine ausgeschilderte Strecke über 200 km und 3800 Höhenmeter). Die L'Eroica ist ein Retro-Rennen, wo die Teilnehmer*innen mit Rädern und Outfits aus dem letzten Jahrhundert unterwegs sind. Ich war froh, dass ich eine leichte Übersetzung, starke Scheibenbremsen und profilierte Reifen dabei hatte, die Strecke hat es nämlich ganz schön in sich. Die Anstiege und Abfahrten sind knackig, der Belag ist in den Kurven heimtückisch rutschig und es gibt immer wieder mal Bremswellen von den Autos. Kaum vorstellbar, wie da die Profis mit ihren normalen Rennrädern mit Vollgas über den Rundkurs heizen.

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Die Anstiege sind meistens kurz und knackig.

Nach Torrenieri folgte der schönste Teil meiner Tour. Hier ist es genauso, wie ich mir das immer vorgestellt hatte. Der Abschnitt führte über die berühmten Crete Senesi, eine Szenerie wie aus dem Ferienkatalog. Die Strasse geht kurvig durch die weite und hügelige Landschaft, mein Blick ging ständig von links nach rechts, ich konnte mich nicht sattsehen. Im Hochsommer zeigt sich die Landschaft eher karg und es ist sehr trocken. Hin und wieder hielt ich einfach an und genoss die Schönheit der Natur. Ich merkte wieder, wie viel mir der Radsport bedeutet.

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Auf den Spuren der L'Eroica Strecke.

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Die Strasse schlängelt sich durch endlose Weiten.

Der nächste Halt war im Dörflein Lucignano d'Asso. Die Hin- und Wegfahrt führt durch schöne Pinienalleen, das typische Bild für die Toscana. Nun gab es eine lange Abfahrt, der Weg hat zwischendurch ein Gefälle von 15% und mein Topspeed war über 60 km/h. Ab und zu vergass ich, dass ich auf Schotter unterwegs war... Aber für mich als Mountainbiker und guter Fahrtechniker kein Problem, auch auf den schmalen Reifen und ohne Federung fühlte ich mich stets sicher.

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Schnelle Abfahrten und rutschiger Boden. Was für ein Spass!

Unten angekommen konnte ich kurz die Beine durchschütteln, bevor der nächste längere Anstieg folgte. 100 Höhenmeter am Stück musste ich nach oben, die Hitze drückte und der Schweiss floss in Strömen. Nun war ich bereits auf den letzten Kilometern zurück nach Buonconvento. Am Schluss ging es rasant runter ins Dorf, direkt auf die Piazza. Dort gönnte ich mir einen starken Kaffee, leerte zwei Liter Wasser runter und blieb noch eine Weile sitzen und beobachtete das bunte Treiben um mich herum. Was für ein Tag!

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Heiliger Staub! Mein Rocky Mountain Solo nach getaner Arbeit.

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Meine gefahrene Tour mit Start und Ziel in Buonconvento.

Meine Pläne für eine Wiederholung stehen bereits. Ich bin diesen Dezember wieder in der Toscana, gut möglich, dass ich nochmals eine Reise nach Buonconvento mache. Und sonst sicher im nächsten Jahr. Dann stelle ich aber eine viel längere Strecke zusammen, ich will es noch mehr auskosten. Vielleicht fahre ich auch die komplette L'Eroica Runde über 200 km, für dieses Erlebnis leide ich gerne ein bisschen!



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