6 Tipps zu mehr Selbstvertrauen beim Mountainbiken

Mountainbiken ist ein Sport, in welchem Kopf und Können immer zusammenspielen müssen. Ist das nicht der Fall, dann kann es zu unangenehmen und brenzligen Momenten kommen. Wir alle kennen diese Situation auf dem Trail oder im Bikepark: Man steht vor einer schwierigen Passage und überlegt sich, ob man fahren soll oder nicht. Man ist hin und her gerissen, es kommen Zweifel auf oder die pure Angst überfällt uns.

Egal ob der Profi, welcher einen Backflip über einen riesigen Kicker springen will oder der Beginner, der das erste Mal ein Wurzelfeld meistern möchte: Der Kopf sagt uns, ob wir etwas machen oder es lieber bleiben lassen sollen. Das ist gut so, denn unüberlegte Handlungen können beim Biken schnell schmerzhaft enden. Das Hirn sendet uns die nötigen Signale, um vernünftig abschätzen zu können, ob das gut kommt oder nicht.

Angst und Mut können wir nur bedingt selbst beeinflussen, das sind Gefühlszustände, mit denen wir einfach leben müssen. Was wir aber stärken können ist unser Selbstvertrauen. Und damit vergrössert sich gleichzeitig die Erfahrung.

Ich hatte kürzlich auch wieder mal mit mir selbst zu kämpfen. Auf einem meiner Hometrails liegt seit einigen Wochen ein 50 cm dicker Baumstamm mitten im Weg. Ich holte schon mehrmals Anlauf, um einen Bunny Hop darüber zu ziehen. Jedes Mal verliess mich aber kurz davor der Mut. Meine Bunny Hop Höhe liegt bei über 70 cm, es wäre also locker machbar. Aber die Anfahrt ist knifflig und das Monstrum liegt schräg zum Absprung. Wie viel Geschwindigkeit brauche ich, um die Höhe und Distanz zu schaffen? Was ist, wenn ich mit dem Vorderrad oder Hinterrad hängen bleibe und es mich über den Lenker katapultiert? Morgen muss ich wieder arbeiten, soll ich es wirklich versuchen? Was für ein elendes Kopfkino...

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Bunny Hop oder nicht? Dieser Baumstamm machte mir das Leben schwer...


Hier 6 hilfreiche Tipps, wie du dein Selbstvertrauen steigern kannst und das nächste Level erreichst.

1. Fahrtechnik verbessern

Ein ausgeprägtes Gleichgewicht, eine zentrale Körperhaltung, Bremsen mit dem Zeigefinger, Beherrschen eines Bunny Hops und ein Auge für die richtige Linie. Es sind diese Dinge, die den Unterschied ausmachen, ob du gut oder schlecht fährst.

Auch wenn ich mittlerweile keine Fahrtechnikkurse mehr anbiete, empfehle ich dennoch weiterhin, einen Bikekurs bei einem professionellen Anbieter zu besuchen. Unter fachkundiger Anleitung kannst du dein Können schnell verbessern und du kannst die so wichtige Erfahrung vergrössern.

Ich hatte in meinen Kursen immer wieder Leute, die in meiner Gegenwart das erste Mal eine Treppe runter oder rauf fuhren, einen Drop sprangen oder einen sauberen Bunny Hop schafften. Sie betonten nachher immer, dass sie sich das alleine nicht zugetraut hätten oder gar nicht wussten, dass so etwas mit dem Mountainbike möglich ist. Die Hilfe von aussen ist Gold wert!

Nach dem Besuch von einem Bikekurs gilt es weiterhin, regelmässig am eigenen Können zu arbeiten. Fahrtechnik kannst du immer und überall trainieren. Um das Gleichgewicht zu verbessern oder neue Tricks zu üben, musst du nicht mal auf einen Trail. Das kannst du direkt vor der Haustüre oder in der Tiefgarage erledigen.

Auch ich versuche immer noch besser zu werden, auch nach über 30 Jahren biken liegt noch etwas drin. Obwohl ich schon auf einem hohen Niveau fahre, investiere ich wahrscheinlich viel mehr Zeit in mein Können, als die meisten Neulinge. Aber ich liebe die Herausforderungen und es macht mir Spass, mit meinem Mountainbike herumzuspielen. Dieser Sport bietet so viel mehr, als bloss (langweilige) Touren zu fahren.

Ideen für Fahrtechnik und Tricks erhältst du in meiner grossen Videoserie MTB-Fahrtechnik für zu Hause.

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Ein Fahrtechnikkurs lohnt sich immer und das Üben in der Gruppe macht einfach Spass.


2. Glaube an dich selbst

Das Selbstvertrauen, der Glaube an sich selbst, ist sicher einer der Schlüsselfaktoren, ob du es beim Biken zu etwas bringst oder einfach nur in der Komfortzone hängen bleibst. Dieser Sport ist gefährlich und man muss damit leben können, dass man stürzen und sich verletzen kann. Negative Gedanken haben aber trotzdem keinen Platz, wenn du auf dem Mountainbike sitzt. Fahre vernünftig, schätze die Situation richtig ein und verlasse dich auf dein Können.

Wenn du diese Regeln befolgst, dann kannst du dich immer mehr auf deine Erfahrung verlassen. Leider kann man Erfahrung nicht kaufen oder lernen, man muss sie sich erarbeiten. Wenn du aber regelmässig fährst, deine Fahrtechnik stetig versuchst zu verbessern und auf den Trails langsam den Schwierigkeitsgrad erhöhst, dann bist du auf dem richtigen Weg.

Und hier noch ein ehrlicher Ratschlag: Nicht jede Sportart ist für alle Leute geeignet. Wenn du beim Mountainbiken permanent mit Ängsten kämpfst, dich immer überfordert fühlst und eigentlich gar keine Freude daran hast, dann lass es bleiben. Ich hatte in den letzten 10 Jahren über 6'000 Bikerinnen und Biker begleitet und es waren einige dabei, die den Sport talentfrei und motivationslos betrieben haben. Schade... Wähle stattdessen eine Freizeitbeschäftigung, welche dich voll erfüllt und bei der du glücklich bist, wenn du sie ausübst!

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Kommt gut! In solchen Passagen verlasse ich mich auf mein Selbstvertrauen und meine Erfahrung. (Foto: spitznagel.ch)


3. Steigere dich in kleinen Schritten

Wenn du deine Fahrtechnik verbessern und die Grenzen des Machbaren verschieben möchtest, dann steigere dich in kleinen Schritten. Niemand verlangt von dir, dass du gleich die steilsten Trails und die grössten Jumps meisterst. Du musst die kleinen Erfolgserlebnisse feiern, diese bringen dir die nötige Sicherheit und Motivation, um erfolgreich weiter zu machen.

Suche dir zum Beispiel eine Treppe mit 3-5 Stufen und fahre sie runter (oder rauf). Wenn es gelingt, dann hast du dein Erfolgserlebnis. Wiederhole es noch einige Male, damit du dir gleich eine gewisse Routine holen kannst. Jetzt bist du bereit für die nächstgrössere Treppe mit mehr als 5 Stufen.

Mach das mit jedem Hindernis, welches dir im Weg steht und dir Kopfzerbrechen bereitet. Beginne immer mit einfachen Dingen und erhöhe stetig den Schwierigkeitsgrad. Gönne dir mehrere Versuche, falls es nicht gleich beim ersten Mal passt. Analysiere jeweils, warum es vielleicht noch nicht so geht, wie du gerne möchtest. Körperhaltung, Linienwahl und Geschwindigkeit müssen stimmen, damit es erfolgreich endet. Und wenn es weiterhin unmöglich erscheint, absteigen und laufen ist auch immer eine Option. Behalte aber den Ehrgeiz und probiere es bei nächstem Mal erneut.

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Klassiker Treppe. Beginne mit wenigen Stufen und steigere dich hin zu grossen Exemplaren.


4. Versuche schneller zu fahren

Du bist ängstlich auf dem Trail und jetzt liest du hier, dass du schneller fahren solltest? Genau und zwar aus den folgenden zwei Gründen:

1. Man kann nicht nur zu schnell fahren, sondern auch zu langsam. Ich hatte immer wieder Teilnehmer*innen in meinen Kursen, die fuhren im Schritttempo über Wurzeln und Steine, plötzlich blieb das Vorderrad hängen und sie machten einen Abgang über den Lenker. Ich konnte es jeweils selbst nicht glauben, was da passierte, aber das Problem war, dass die Physik nicht mehr funktionierte. Egal wie grosse Laufräder und wie viel Federweg du hast, bei zu wenig Geschwindigkeit rollt das Mountainbike schlicht nicht über die Hindernisse. Sobald du schneller fährst, verbessert sich das Überrollverhalten und die Stabilität nimmt zu.

2. Mehr Geschwindigkeit erhöht die Konzentration. Wenn du zügig über die Trails fliegst, dann schärfen sich die Sinne. Du blendest aus, was rechts und links von dir passiert und bist voll auf das hier und jetzt fokussiert. Man kann auch von diesem Flow-Zustand sprechen, du bist zu 100% bei der Sache und weisst genau, was du tust. So zu fahren ist schlussendlich viel sicherer, als wenn du unkonzentriert und langsam den Trail runtereierst.

Schnell fahren ist natürlich immer relativ und jede Person hat ein anderes Empfinden für die Geschwindigkeit. Taste dich langsam an den Speed heran und lass bei jeder Fahrt die Bremse ein bisschen länger offen. Dein Grundtempo wird sich laufend erhöhen, schon bald gewöhnst du dich daran und bist souverän unterwegs.

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Konzentriert und fokussiert. Eine hohe Geschwindigkeit bringt Sicherheit. (Foto: spitznagel.ch)


5. Fahre mit besseren Bikern

Alleine Biken ist schön, aber du solltest bewusst hin und wieder mit Leuten fahren, die technisch stärker sind als du. Habe keine falsche Scheu davor, die besseren Fahrer*innen werden Verständnis für deine Situation haben, denn alle haben mal klein angefangen.

Sprich dich mit den Kolleginnen und Kollegen vorher ab und mach klar verständlich, dass du etwas lernen möchtest, dass du moralische Unterstützung brauchst und bitte um Rücksicht. Sie sollen dir Vorzeigen, auf was du achten musst und wie du die schwierige Passage oder den Jump bezwingst. Wenn diese Zusammenarbeit richtig harmoniert, dann kannst du extrem viel von deinen Bikebuddies profitieren.

Wichtig dabei, lass dich nicht zu gefährlichen Manövern überreden. Du entscheidest selbst, ob und wann du etwas machen willst.

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Fahren in der Gruppe mit starken Bikern bringt dich weiter. (Foto: daluz-works.ch)


6. Zu Fuss die richtige Linie anschauen

Was machen Downhill-Profis am Donnerstag vor dem Rennwochenende? Track Walk. Sie laufen zu Fuss die gesamte Strecke ab, um sich alle schwierigen Stellen zu merken und sich die beste und schnellste Linie einzuprägen.

Das empfehle ich auch Hobbybikern. Also nicht den ganzen Trail runterzulaufen, aber anzuhalten, wenn eine anspruchsvolle oder unübersichtliche Passage auftaucht. Schau dir die Sache genau an und schätze zuerst ab, ob es mit deinem Können und deinem Bike überhaupt machbar ist.

Wenn du bereit bist, dann checke die beste Linie und überlege dir, was es ungefähr für eine Geschwindigkeit braucht. Und jetzt kommt der Kopf zum Einsatz. Fahre die Stelle innerlich ab und stell dir vor, wie sich das anfühlen wird. Hast du es bildlich gemeistert, dann wird es auch in der Praxis erfolgreich enden. Du wirst staunen, was das ausmacht.

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Unfahrbar? Nein. Aber hier muss die richtige Linie zuerst zu Fuss angeschaut werden.


Fahre mit einem modernen Mountainbike

Dieser Bonustipp macht aus dir zwar nicht automatisch ein besserer Mountainbiker und du wirst auch weiterhin mit den üblichen Problemchen zu kämpfen haben.

Aber moderne und hochwertige Bikes verzeihen dank viel Federweg, grossen Laufrädern, breiten Reifen und absenkbaren Sattelstützen auch mal einen Fehler auf dem Trail, ohne dass du gleich einen Abflug machst.

Merken tust du das erst, wenn du mal ein aktuelles Bike fährst. Kürzlich war ich mit einem Kollegen in Livigno und im Park machten wir einen Biketausch. Ich nahm sein Santa Cruz Bronson aus dem Jahre 2015 und er mein Rocky Mountain Instinct von 2022. Der Unterschied war ab dem ersten Meter spürbar. Das quirlige Santa Cruz mit den 27.5" Laufrädern und den steilen Winkeln war zwar spassig, aber ich bewegte mich gleich viel näher am Limit. Mein Kollege erlebte das Gegenteil, er schwärmte von der Laufruhe und von der Sicherheit, die ihm das Rocky Mountain vermittelte. Eine spannende Erfahrung und einer von uns wird sich schon bald ein neues Mountainbike kaufen. ;-)

Für mich ist frisches Material auch immer eine Motivationsspritze. Ich bin jedes Mal Feuer und Flamme, um das Potenzial von meinem neuen Sportgerät voll auszuschöpfen. Ich habe schon mehrmals eine schwierige Stelle erst geschafft, als ich sie mit einem neuen Mountainbike in Angriff nahm.

Mehr zum Thema findest du im Blogbeitrag Neu ist immer besser - Gilt auch für Mountainbikes.

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Rocky Mountain Instinct Carbon 2022. Neues Bike, neue Motivation!


Adrenalin und Glücksgefühle geniessen

Zum Schluss zurück zu meiner Geschichte mit dem dicken Baumstamm: Nach einigen erfolglosen Anläufen im Vorfeld, fuhr ich an einem Bikekurs mit meinen Teilnehmern am Ort des Geschehens vorbei. Ich bat sie um eine kurze Pause, ich hätte da noch eine Pendenz zu erledigen. Ich brauchte diesen Druck, dass mir Leute dabei zuschauen, so konnte ich mir keine Blösse geben. Beim ersten Versuch blockte ich wieder ab, gleichzeitig merkte ich aber, dass ich jetzt dazu bereit bin. Ich fuhr ein zweites Mal an, zog ab und flog souverän über das Holz. Ich merkte, wie eine grosse Last von mir fiel, was war das für ein geiles Gefühl! Und im Nachhinein scheint alles ganz easy, warum habe ich mich nicht schon früher gewagt?

Diese Hürde hatte ich besiegt und im Gegenzug erhielt ich Glückgefühle und Adrenalinschübe. Das ist es wohl, was das Biken zum schönsten Sport der Welt macht!

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Hallelujaaaaaa! Den Baumstamm erfolgreich mit einem Bunny Hop bezwungen!