Die Tiefgarage - Der beste Ort zum Mountainbiken

Der Normalbürger benutzt die Tiefgarage, um dort das Auto zu parkieren und überflüssigen Hausrat zu deponieren. Für mich hat dieser graue Betonbunker mit Neonlicht aber eine viel wichtigere Bedeutung: Es ist der beste Ort zum Mountainbiken.

Denn wo sonst kann man rund um die Uhr, bei immer gleichbleibenden Verhältnissen, seinen Lieblingssport betreiben?

Die Tiefgarage punktet mit Vorteilen, da kann kein Trail und kein Bikepark mithalten:

  • Immer trocken
  • Immer hell
  • Im Winter warm, im Sommer kühl
  • Keine Fahrverbote
  • Umweltschonend
  • Hohe Traktion
  • Toilette/Dusche/Küche/Kühlschrank nur einige Schritte entfernt
  • Werkstatt auf der gleichen Ebene

PS: Ich entschuldige mich für die schlechte Bildqualität in diesem Beitrag. Viele Fotos sind Screenshots aus Videos und deshalb unscharf. Das "Best of Tiefgarage" Video gibt es ganz unten im Text.


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Die Tiefgarage. Ein grosser Spielplatz und der beste Ort zum Mountainbiken!


Die Tiefgarage ist mein Testgelände

Meine ungefähr 25 Fahrräder, die ich in den letzten 20 Jahren besass und teils noch besitze, haben alle im dunklen Untergrund das Licht der Welt erblickt. Zuerst habe ich sie liebevoll im Keller zusammengeschraubt, danach fand in der Tiefgarage die erste Ausfahrt statt. Schaltung justieren, Federelemente abstimmen, Bremsen einfahren, Sattelhöhe einstellen, Cockpit anpassen, Tubeless abdichten, usw.

Wenn das Setup jeweils gemacht ist, kommt es gleich zur Jungfernfahrt mit Wheelies, Manuals, Bunny Hops und Endos. Innerhalb von wenigen Minuten spüre ich, ob das Bike funktioniert, oder ob es noch Anpassungen braucht.

Der leise Betonboden und die Stille im Raum eignen sich zudem super, um irgendwelchen Knack-, Quietsch- und Schleifgeräuschen auf den Grund zu gehen. Das ist sozusagen mein Testlabor, um meine Bikes perfekt abzustimmen.

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Mein Rocky Mountain Instinct 2022. Kaum fertig aufgebaut, schon in der Tiefgarage fotografiert.

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Über Pfingsten 2022 testete ich das Mondraker Raze. Wo fand wohl die erste Ausfahrt statt?


Corona hat mich in die Tiefgarage verbannt

So richtig viel Zeit verbrachte ich in der Tiefgarage, als uns im März 2020 das Coronavirus überfiel. Ich durfte während 7 Wochen keine Bikekurse anbieten und die Regierung empfahl uns, zu Hause zu bleiben. Draussen Sport zu treiben war zwar weiterhin erlaubt, ich nutzte aber die verordnete Zwangspause, um meine grosse Videoserie MTB-Fahrtechnik für zu Hause zu produzieren. Ich wollte den Leuten zeigen, dass man sein Können ganz einfach in der Tiefgarage oder auch vor der Haustüre verbessern kann. Bike schnappen, Helm aufsetzen und los geht's!

In diesen Videos präsentiere ich sämtliche Fahrtechniken, die ambitionierte Mountainbiker*innen beherrschen sollten. Angefangen mit ganz einfachen Manövern bis hin zu sehr anspruchsvollen Tricks. Und alles auch mit dem E-Bike machbar.

Übrigens, wer sich an hohe Bunny Hops heranwagen will, sollte vorher noch die Deckenhöhe checken. In der einen Garage musste ich jeweils den Kopf einziehen, damit ich nicht zu fest mit dem Helm streifte...

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Während dem Corona-Lockdown produzierte ich Online-Fahrtechnik Videos.

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Auch an meinem eigenen Können arbeitete ich fleissig und lernte neue Tricks.


In der Tiefgarage ein neues Level erreicht

Auf die Spitze getrieben haben wir es dann im schneereichen Winter 2020/2021. Wir erhielten im Flachland über 50 cm Neuschnee und während Wochen war das Tourenfahren draussen undenkbar. Nicht mal mit dem E-Bike war es möglich, durch die ungeheuren Schneemassen zu pflügen.

Darum verlegten Kollege Hansueli Spitznagel und ich unsere gemeinsamen Ausfahrten in die Tiefgarage. Wir trafen uns 1-2 Mal die Woche im warmen Untergeschoss und arbeiteten intensiv an unserem Können. Ich hatte die Bunny Hop Anlage dabei, Hansueli bastelte zwei kleine Kicker und später kam noch eine MTB-Hopper Rampe dazu.

Wir pushten uns gegenseitig zu Höchstleistungen. Immer, wenn einer einen neuen Trick beherrschte, musste der andere nachziehen. Das Niveau stieg von Woche zu Woche und wir wurden immer kreativer. Wir machten Wheelies in allen Variationen, fuhren dutzende Meter Fakie, brachten unsere Bunny Hops auf eine neue Rekordhöhe und lernten Kunststücke, die wir bis dato einfach noch nie ausprobierten.

Nach diesem Winter hatte ich ein neues fahrtechnisches Level erreicht, so stark war ich noch nie! Und das mit stolzen 43 Jahren und nach über 30 Jahren mountainbiken. Und cool ist, dass ich dieses Level weiterhin halten kann. Tricks, bei welchem ich mir beim Üben die Zähne ausgebissen habe, sind mittlerweile zur Routine geworden und ich kann sie einfach abrufen.

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Bunny Hop über 70 cm. Neuer persönlicher Rekord!

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Einfach mal ausprobieren, was alles so machbar ist.

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Die MTB-Hopper Rampe sorgt für mehr Airtime!

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Wheelies haben wir in allen möglichen Variationen geübt.


Trendsetter auf Social Media

Unsere unzähligen Versuche bis zum erfolgreichen Gelingen eines Tricks haben wir jeweils mit der Kamera festgehalten. Zeitlupenaufnahmen halfen uns, die Abläufe zu analysieren und zu verfeinern. Die Videos haben wir dann auf unsere Social Media Kanäle gestellt und dort gingen sie voll ab. Mountainbiken in der Tiefgarage war anscheinend etwas, was viele Leute nicht kannten oder machten, denn die Reichweiten und Likes explodierten regelrecht. Das Interesse war viel grösser, als wenn wir irgendwelche Posts von schönen Trails in den Alpen veröffentlichten.

Bis heute werde ich von Freunden, Bekannten und ehemaligen Kunden darauf angesprochen und die wissen möchten, wann es denn wieder Neues aus der Tiefgarage gibt. Meine Follower schicken mir irgendwelche MTB und BMX Videos und fordern mich auf, diese Tricks nachzumachen.

Ein wenig paradox, denn eigentlich will ich ja die anderen Mountainbiker*innen dazu motivieren und inspirieren, selber an ihrer Fahrtechnik zu arbeiten. Aber viele sehen uns wohl lieber einfach zu, wie wir unsere Kunststücke vorführen...

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Ein Kollege forderte mich auf, so in der Gegend rumzufahren. Okay, kein Problem!

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Den Wheel-Kiss habe ich in der Tiefgarage gelernt.

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Und mit diesem Trick habe ich es ins Bike Magazin 06/22 geschafft! (Foto: spitznagel.ch)


Die Tradition wird fortgesetzt

In Kürze steht bei mir wieder mal ein Wohnungswechsel an. Ich ziehe in ein neues Wohnhaus, dessen Rohbau ich vorab besichtigen durfte, allerdings ohne einen Blick ins Untergeschoss werfen zu können. Ich hoffe ganz fest, dass die Tiefgarage meine Ansprüche erfüllt, und dass sie gross und hoch genug ist zum Mountainbiken.

Ich werde meine Tradition beibehalten, das neonbeleuchtete Untergeschoss wird immer der Ort bleiben, wo ich meine neuen Bikes entjungfere und an meiner Fahrtechnik und meinem Trick-Repertoir feile!

In Liebe zur Tiefgarage.