Keine Beschwerden beim Biken

An meinen Fahrtechnikkursen kommen immer wieder Teilnehmer*innen zu mir, die mich fragen, was sie gegen körperliche Beschwerden beim Biken unternehmen können. Die erwähnten Probleme sind dabei immer die gleichen: Eingeschlafene Hände oder Füsse, Kribbeln in den Fingern, Gesässschmerzen, Rückenschmerzen, Nackenverspannungen, Knieschmerzen. Das darf und muss nicht sein, das einzige was beim Radsport weh tun soll sind die brennenden Beinmuskeln beim Treten.

Die Ursachen liegen meistens an einer falschen Einstellung am Mountainbike, schlechter Bekleidung oder einem zu wenig starken Körperbau.

Wenn du deine Beschwerden für immer aus der Welt schaffen willst, dann kommst du nicht daran vorbei, ein Bike-Fitting, ein gezieltes Krafttraining oder sogar einen Arzt zu besuchen. Beim Bike-Fitting wirst du per Laser und Kamera vermessen und dein Bike wird perfekt auf deine Körpermasse eingestellt. Zusätzlich empfiehlt sich ein Termin bei einem Sporttherapeuten, der deine schwachen Körperstellen findet und dir ein massgeschneidertes Training zusammenstellt.

Ist dir das zu viel Aufwand, dann kannst du es vorab mit den nachfolgenden Tipps versuchen.

Kontrolliere die Einstellungen am Bike

Dein Mountainbike und du müssen eine Einheit bilden. Wenn du damit fährst, dann musst du dich absolut wohl fühlen, auch wenn du viele Stunden auf dem Trail verbringst. Solltest du Schmerzen verspüren, liegt es oft an falschen Einstellungen. Vor allem die drei Kontaktpunkte Sattel, Lenker und Pedalen sollten kontrolliert werden.

Sattel

Der richtige Sattel ist massgebend für ein beschwerdefreies Fahren. Verabschiede dich baldmöglichst vom Originalsattel, der auf deinem Bike montiert ist. Erfahrungsgemäss passt dieser nur selten. Die Hersteller verbauen das gleiche Modell tausendfach und es wird dabei nicht berücksichtigt, dass die Menschen unterschiedliche Sitzknochen haben.

Lass dich hierfür beim Fachhändler beraten und ausmessen, damit du den perfekten Sattel erhältst. Die Probefahrt sollte nicht nur zwei Minuten vor dem Laden sein, sondern probiere den Sattel bei mehreren längeren Touren aus. Gut möglich, dass ein Sattel am Anfang bequem ist, später aber unbequem wird und umgekehrt. Ich behandle meine Sättel wie Gold und bei jedem Bikewechsel nehme ich den alten Sattel mit. Der fi'zi:k Arione auf meinem Rennrad ist mittlerweile 14 Jahre alt und er passt wie angegossen an meinen Hintern.

Hast du deinen Sattel gefunden, dann geht es noch um die korrekte Einstellung. Für die richtige Sattelhöhe gibt es eine einfache Faustregel: Sitze auf den Sattel, führe das Pedal auf den tiefsten Punkt und setze die Ferse darauf. Jetzt sollte das Bein fast ganz durchgestreckt sein.

Im Normalfall sollte der Sattel waagrecht stehen. Wenn du Druck im Schambeinbereich verspürst, dann kann die Sattelnase leicht nach unten absenkt werden. Aber nicht zu viel, sonst steigt die Belastung auf die Arme und Hände. Wie weit du den Sattel nach vorne oder hinten schieben musst, kann mit einem Lot geprüft werden. Pedalstellung mittig einnehmen, das Lot hinter die Kniescheibe halten und jetzt sollte der Faden durch die Pedalachse laufen.

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Der Sattel muss perfekt passen und sollte waagrecht eingestellt sein.

Lenker/Vorbau/Griffe

Die heutigen Lenker sind mit bis zu 800 mm oft zu breit. Nur Downhiller und sehr grossgewachsene Menschen benötigen einen solchen Lenker. Alle anderen tun sich gut daran, den Lenker schrittweise um 1-2 cm auf beiden Seiten zu kürzen. Grundregel: Je abfahrtslastiger und grösser, desto breiter der Lenker. Je tourenlastiger und kleiner, desto schmaler der Lenker. Im Normalfall sollten 720-780 mm für dich passen.

Die Vorbaulänge ist ebenfalls abhängig vom Einsatz und vom Wohlbefinden. Ist der Vorbau zu lang oder zu tief, kann das Nackenbeschwerden verursachen. Hier empfiehlt sich eine kürzere Variante, welche mit ein paar Spacern in der Höhe variiert werden kann. Nur Cross-Country-Racer, welche viel Druck auf das Vorderrad bringen müssen, fahren den Vorbau lang und den Lenker möglichst tief. Enduro- und Tourenpiloten sind mit einem kurzen Vorbau und einer aufrechteren Haltung besser bedient.

Lenkergriffe gibt es wie Sand am Meer. Je nach Handgrösse sind verschiedene Durchmesser erhältlich. Ob hart oder weich musst du selber entscheiden. Wenn du Probleme mit eingeschlafenen Händen oder Fingern hast, dann kann ein Ergonomiegriff helfen, welcher auf der Seite "Flügel" hat. Damit wird das Handgelenk weniger abgeknickt und der Druck auf die Handballen verringert.

Weitere Tipps zum Cockpit findest du in diesem Blogbeitrag.

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Lenker, Vorbau und Griffe müssen genau für deine Körpermasse stimmen.

Bremshebel

Wichtigste Regel beim Bremsen: Nur der Zeigefinger ist am Bremshebel! Die anderen vier Finger halten den Lenker und somit kannst du Armpump und Verspannungen im Schulterbereich verhindern.

Die Einstellung der Bremshebel muss symmetrisch sein, das heisst beide Hebel müssen den gleichen Abstand und Winkel zum Lenkergriff haben. Das ist leider nicht immer der Fall, oft muss ich dies bei meinen Kursteilnehmern korrigieren.

Der Winkel der Bremshebel sollte so gewählt sein, dass sich eine gerade Linie über Zeigefinger, Handgelenk und Unterarm ergibt. So kannst du vermeiden, dass das Handgelenk zu fest abknickt und Blut- und Nervenbahnen gequetscht werden. Hier gibt es Ausnahmen, ich zum Beispiel fahre meine Hebel flach, andere wiederum bevorzugen eine steile Einstellung. Probiere aus, was für dich am besten passt.

Weitere Tipps zu den Bremshebeleinstellungen findest du in diesem Blogbeitrag.

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Stelle deine Bremshebel so ein, dass du sie mit dem Zeigefinger bedienen kannst.

Pedalen

Kaufe dir hochwertige Pedalen, damit du viel Grip und eine gute Kraftübertragung erreichst und schmerzfrei treten kannst. Auch hier gilt, die Originalpedalen sind oft billig und unbrauchbar. Ob du Klickpedalen oder Flat Pedals fährst ist deine persönliche Entscheidung.

Kontrolliere, dass deine Füsse richtig auf den Pedalen positioniert sind. Nur der Fussballen darf das Pedal berühren und das Gelenk vom grossen Zeh muss auf der Höhe der Pedalachse sein. Bei Klickpedalen muss die Schuhplatte am richtigen Ort sein. Bei Flat Pedals solltest du ab und zu einen Blick nach unten werfen, ob deine Füsse gut platziert sind. Hier besteht das Risiko, dass du Knieschmerzen bekommst, wenn du "zu verdreht" auf dem Pedal stehst.

Zusätzliche Tipps zu Pedalen findest du in diesem Blogbeitrag.

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Klickpedal oder Flat Pedal musst du entscheiden. Aber das Pedal muss hochwertig sein.

Kaufe ein neues Bike

Bevor du zu viel Geld in dein altes Mountainbike investierst, solltest du dir überlegen, ob eine Neuanschaffung nicht sinnvoller ist. Es ist viel passiert in letzter Zeit bei Geometrien, Laufradgrössen und Anbauteilen. Unter Umständen verschwinden so gewisse Beschwerden von alleine.

Kurze Vorbauten, breite Lenker, absenkbare Sattelstützen, starke Bremsen und breite Reifen helfen uns allen, damit wir sicherer und komfortabler unterwegs sind. Und Bikes mit 29" Zoll Laufrädern bieten grossgewachsenen Personen automatisch eine angenehmere Position.

Zusätzlich Tipps zu einem Neukauf erfährst du in diesem Blogbeitrag.

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Kauf dir ein neues Bike! Es fährt sich einfach besser, als ein altes Geländer.

Fahre mit hochwertiger Kleidung

Wer den Bikesport ambitioniert betreibt, der sollte in funktionelle und hochwertige Bekleidung investieren. Hier kann ich aus eigener Erfahrung sagen, teure Kleidung ist viel besser, angenehmer und langlebiger, als billiges Zeugs. Gute Kleider können Beschwerden verhindern, in dem sie dich richtig schützen und stützen.

Hosen

Wer lange im Sattel sitzt, muss unbedingt eine gute Radhose mit Sitzpolster benutzen. Hosen sind teuer, aber bei deinem Hintern solltest du nicht sparen. Es gibt nichts unangenehmeres, als wenn du auf einer langen Tour nicht mehr weisst, wie du auf dem Sattel sitzen sollst. So wird der Ausflug zur Qual. Zusätzlich kannst du auch noch eine Gesässcrème verwenden, gut geschmiert ist halb gefahren. Ich fahre eine klassische Trägerhose und ziehe darüber eine Shorts an.

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Unter den Shorts trage ich eine hochwertige Trägerhose mit Polster.

Shirts und Jacken

Bei den Oberteilen ist auf eine komfortable Passform zu achten und die Materialien müssen den Schweiss nach aussen transportieren und atmungsaktiv sein. Ein Baumwoll T-Shirt und eine Fleece Jacke werden diesen Zweck sicher nicht erfüllen. Je nach Temperatur funktioniert das bekannte Zwiebelprinzip mit mehreren Schichten am besten. Die Jacke muss wind- und sogar wasserdicht sein, so bist du auch bei Schlechtwetter bestens geschützt. Wähle einen Schnitt, der gut anliegt, dich aber bei Bewegung und Atmung nicht einengt.

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Ein bequemes und atmungsaktives Shirt lässt deinen Körper atmen. (Foto: spitznagel.ch)

Schuhe

Kaufe dir spezifische Bikeschuhe. Laufschuhe oder Freizeitschuhe sind zum Biken ungeeignet. Sie müssen bequem sein und ein gutes Verschlusssystem oder eine gute Schnürung und eine griffige Sohle besitzen. Bedenke, dass sich der Fuss im Laufe des Tages leicht ausdehnt, du solltest die Schuhe also nicht zu klein kaufen. Falls die Füsse kribbeln oder sogar einschlafen ist der Schuh zu eng oder zu fest angezogen.

Zusätzliche Tipps zu Bikeschuhen findest du in diesem Blogbeitrag.

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Kraftübertragung und Grip. Nur spezifische Bikeschuhe funktionieren richtig.

Handschuhe

Auch auf die Handschuhe solltest du einen Blick werfen, diese können Druckstellen verursachen. Hier musst du selber herausfinden, ob du ein dünnes oder ein gepolstertes Modell benötigst. Es gibt Handschuhe, die haben extra grosse Geleinlagen, welche den Druck auf die Handballen verringern. Gleichzeitig kann so aber auch ein Druck erzeugt werden, was zu tauben Händen und Fingern führen kann. Bei Beschwerden lohnt es sich, verschiedene Handschuhe auszuprobieren und auch mal ohne Handschuhe zu fahren. Ich persönlich bevorzuge ganz dünne Handschuhe ohne Polsterung, die sich wie eine zweite Haut am Lenker anfühlen.

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Ich bevorzuge möglichst dünne Handschuhe für ein gutes Griffgefühl.

Stärke deinen Körper

Die Position auf einem Mountainbike ist unnatürlich. Man quetscht den Körper stundenlang zwischen Sattel und Lenker und dies ist eine grosse Belastung für Muskeln, Bänder und Sehnen. Radsportler trainieren ihre Beine und ihr Herz, die restlichen Rumpfteile werden aber meistens vernachlässigt.

Deshalb ist es ganz wichtig, dass du regelmässig auch den Oberkörper trainierst. Ein starker Rumpf ist die Basis für ein beschwerdefreies Biken. Dafür musst du nicht unbedingt in ein miefiges Fitnessstudio, du kannst auch draussen oder bei dir Zuhause verschiedene Übungen machen.

Ich habe in meiner Wohnung eine Stange zwischen den Türrahmen geklemmt, wo ich täglich meine Klimmzüge mache. Liegestützen, Rumpfbeugen, Planks und Dehnübungen lassen sich auch auf dem Fussboden erledigen. Und im Winter besuche ich regelmässig eine Pilates und TRX Lektion.

Für Schweizer empfehle ich unsere Vitaparcours, die überall zu finden sind. Diese können zu Fuss, oder falls kein Verbot, auch mit dem Bike absolviert werden. Die verschiedenen Posten bieten alle Übungen, die für unseren Körper wichtig sind. Ein starker und stabiler Körper hilft übrigens auch, dass du dich bei einem Sturz weniger schwer oder gar nicht verletzt.

Zusätzliche Tipps zum alternativen Training findest du in diesem Blogbeitrag.

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Im Winter besuche ich regelmässig TRX und Pilates Lektionen.

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Der Vitaparcours für ein Ganzkörpertraining an der frischen Luft.

Wie wichtig ein Ganzkörpertraining ist, erklärt der deutsche Mountainbiker Rob Heran in diesem Video.



Kontaktiere einen Arzt

Falls weder andere Einstellungen am Bike, noch ein Körpertraining eine Verbesserung bringen, dann hast du wahrscheinlich ein medizinisches Problem. Kontaktiere deinen Arzt, damit er dich an einen Spezialisten verweisen kann. Lass dich durchchecken und beraten, was die Ursachen für deine Beschwerden sein können. Eine verordnete Ergo- oder Physiotherapie, Medikamente oder im schlimmsten Fall eine Operation werden Abhilfe schaffen.

Auf dem Blog der Klinik Hirslanden findest du zusätzlich einen interessanten Artikel zum Thema: https://blog.hirslanden.ch/2015/06/14/warum-schlafen-die-haende-beim-radfahren-ein/